Der Volksschriftsteller W. O. von Horn (Wilhelm Oertel)
und seine Liebe zu Bacharach

Autor: Karl-Richard Mades

W. O. von Horn - Porträt In der Biografie Oertels mit dem Titel "Ein wahrer Freund des Volkes" steht geschrieben:
Hier nun in Bacharach, in dem altertümlichen, ruinenreichen Städtchen mit seinem königlichen Strome und der wunderbar herrlichen Umgebung, verlebte Oertel seine schönsten, glücklichsten Kindheitsjahre, und wie die Liebe zu diesem Orte ihm so ans Herz gewachsen war, davon geben die vielen Erzählungen genugsam Kunde, deren Schauplatz Bacharach ist, und denen man es wohl ohne Ausnahme anhört, mit welcher Vorliebe der Erzähler den Erinnerungen nachgeht, die an diesen Ort sich für ihn knüpften.

"Es ist ein schönes Fleckchen der Erde, wo da unten am Rheine das alte Bacharach liegt, man mag es betrachten, von welcher Seite man will. Die Berge von Trechtingshausen bis hinab zum Niederthal haben den Rhein umschlossen, als sei er ein See, der nicht weiter hinab- und nicht weiter hinaufreiche, und an einem sanft geschweiften Busen dieses Sees liegt nun das alte Städtchen so stille..." Aus der Erzählung "Das Gotteshäuschen und seine Bewohner" von W. O. von Horn.

"Ob es Anderen auch so geht, wie mir, ich weiß es nicht; aber seit ich alt geworden bin, will mir Vieles um mich herum nicht mehr gefallen. Da blick' ich in stillen Stunden gern in die Tage, als ich noch ein frisches Bubenblut war und am Rhein meine Spiele spielte in dem alten Städtchen Bacharach, das auch dem Schicksal der Zeit erliegen musste und nicht viel mehr hat, als seine Erinnerungen und seine verwitternden Mauern und Thürme..." Aus der Erzählung "Der Eisgang des Rheins Anno 1730" von W. O. von Horn.

"...da hat mit stiller Wehmuth mein Auge auf den uralten Ruinen geruht; hat über den Mauern weg die Lücken gezählt, welche ein verheerender Brand gemacht; hat vergeblich das hohe Dach des Vaterhauses gesucht, das auch dem gefräßigen Elemente zur Beute fiel, und hat dann ausgeruht auf dem "Wörthe", der langgestreckten Insel unterhalb des Städtchens, und dem Häuschen darauf, das nun auch in Trümmern liegt, die wieder aufzubauen, wie sie gewesen, keine Menschenseele Sinn und Liebe hat, wenn auch das unerlässliche Geld da wäre-" Aus der Erzählung "Auf?m Wörth" von W. O. von Horn.

Am 15. August 1798 wurde in dem Dörfchen Horn im Hunsrück Friedrich Wilhelm Philipp Oertel geboren. W. O. von Horn - Geburtshaus in Simmern Seine Eltern waren der Pfarrer Peter Paul Oertel und seien Ehefrau Caroline, geb. Wolff. Im Jahre 1804 wurde Peter Paul Oertel zum Präsidenten des Local-Consistoriums berufen - vergleichbar heute mit dem Superintendenten - , was den Umzug nach Bacharach notwendig machte. Söhnchen Wilhelm, durch eine schwere Kinderkrankheit gehbehindert, kam ins Schulalter. Da die damaligen Elementarschulen nur das notwendigste lehrten, erhielt Wilhelm durch seinen Vater und einen örtlichen Elementarlehrer Hausunterricht. Später kam noch ein ehemaliger französischer Geistlicher, der nach der Aufhebung des Bacharacher Klosters durch die französische Besatzung als Steuereinnehmer tätig war, als Hauslehrer hinzu. Wegen seiner Behinderung konnte Wilhelm nicht mit gleichaltrigen Kinder spielen und er suchte Kontakt zu Erwachsenen. W. O. von Horn - Wohnhaus in Manubach So war er oft bei einem alten Schneidermeister in der Werkstatt, der ihm viele Geschichten von seiner Wanderschaft erzählte. Sein "Spezialfreund" war der Schiffer und Fischer Wilhelm Pfaff, ein Nachbar der Oertels, der ihm ebenfalls spannende Geschichten erzählen konnte. Die Zeit in Bacharach, die Erzählungen seiner alten Freunde, inspirierten Wilhelm Oertel wohl, schriftstellerisch tätig zu werden. Nach dem Umzug nach Manubach ging Wilhelm Oertel zum Theologiestudium nach Heidelberg und wurde 1820 Nachfolger seines Vaters als Pfarrer in Manubach. Dort begann sein schriftstellerisches Schaffen. Erst schrieb er Texte für Zeitungen und historische Romane unter dem Pseudonym F. W. Lips (abgeleitet von seinen drei Vornamen). Später, nach seinem Umzug nach Sobernheim, legte er sich, in Erinnerung an seinen Geburtsort Horn, den Künstlernamen W. O. von Horn zu.

W. O. von Horn - Porträt Wie stark ihn die alte Stadt Bacharach beschäftigte, sieht man an seinen Werken. Ein großer Teil seiner Erzählungen, und davon gibt es viele, haben Bacharach zum Mittelpunkt. Als Beispiele seien genannt "Der Küfer von Bacharach", "Das Gotteshäuschen von Bacharach", "Der Eisgang des Rheins anno 1730", "Auf?m Wörth", "Nach der Pest", "Das Bacharacher Meßschiff", u. v. a. Er erzählt historische Ereignisse, aber auch Begebenheiten aus seiner Zeit. Dabei benutzt er Namen tatsächlich damals lebender Personen, wie Bräunches Willem (Wilhelm Greifenstein), Wirt und Bierbrauer Guntrum, Gabriel Mades vom "Gälenhof", Schuster Scheib, Küfer Konrad Gölz, Kürschner Schmitz, Küfer Hieronimus Gebhard, Schuster Philipp Ott u. a.

W. O. von Horn war ungemein produktiv. W. O. von Horn - Grabstein auf dem 'Alten Friedhof' in Wiesbaden Neben dem Jahreskalender "Die Spinnstube" (von 1846 bis 1867 von ihm, danach von seinem Sohn Hugo hrsg.) gab er mehrere Erzählungssammlungen heraus, eine Monatsschrift "Die Maje", schrieb 75 Volks- und Jugendbücher, Romane, Biografien, eine Vielzahl von historisierenden Erzählungen und ein wunderschönes Rheinbuch mit 36 Stahlstichen "Der Rhein, Geschichte und Sagen seiner Burgen, Abteien, Klöster und Städte". Viele seiner Bücher wurden in mehrere Sprachen übersetzt und in Europa und Nord- und Südamerika vertrieben. Er war zu seine Lebzeiten einer der meistgelesenen Schriftsteller. Wilhelm Oertel starb am 14. Oktober 1867 in Wiebaden.