Heimatblatt Nr. 24

Titelbild

Bacharach - Holzstich 19. Jh.

Inhaltsverzeichnis

  • Katholische Volksschule Bacharach - Jahrgänge 1909 - 1913
  • Viertälergeschichten - Es stand in der Zeitung 1959/1960
  • Bacharach am Rhein - Gemälde von Carl Gustav Carus - 1836
  • Maria Reiter
    - Meine Lebensgeschichte - Teil 4   Leseprobe
  • Schifffahrt von den Anfängen bis zur Gegenwart - Teil 2
  • Aus Pommern an den Rhein - Die Fluchtodyssee der Familie Warmbier   Leseprobe
  • 180 Jahre Einwanderung nach Brasilien
  • Ehen zu dritt im Mittelalter
  • Die evangelische Kirchengemeinde Oberdiebach-Manubach eröffnet das O. W. von Horn Museum
  • Die Geschichte der Familie Gerstein
  • Der "Goldene Löwe" zu Bacharach
  • Wenn die blauen Veilchen blühen ...

Leseprobe

Leseprobe  Maria Reiter - Meine Lebensgeschichte

... Gustl und ich haben es uns lange überlegt. Die Mutter meinte, unser Vater hätte so an seinem Elternhaus gehangen. So fuhr ich 1955 mit Werner nach Bacharach. Wolfgang ging damals schon in die Schule und blieb während der Zeit bei der Tante Klara. ...

1956 wurde in dem Haus neben der Kapelle der untere Teil frei. Die Kreissparkasse hatte in der Oberstraße - heute Deuer - ein neues Haus gebaut und war dorthin gezogen. Meine Schwester ließ auf ihre Kosten den Frisörladen errichten, den heute noch Herr Reckert hat. Als die Wohnung im 1. Stock frei wurde, ließ sie auch diese herrichten mit Duschc und Heizung und zog mit unserer Mutter dorthin.

Im Dezember 1957 war es dann soweit. Wir hatten die Einreise- und Aufenthaltserlaubnis für Deutschland bekommen. Unsere Wohnung in Wien, für die wir ja bezahlt hatten, konnten wir zusammen mit den Möbeln verkaufen. Ein Umzug wäre zu teuer gekommen. So packten wir nun Wäsche, Kleidung und Porzellan ein und schafften uns in Bacharach neue Möbel an. Die Tante hatte die Wohnung in der 2. Etage für uns herrichten und ein Bad einbauen lassen. In der 1. Etage wohnte sie und im Parterre die Familie Eichner.

Nun waren die Jahre in Wien vorbei und ich muß sagen, es waren die schönsten in meinem ganzen Lehen.

Leseprobe  Aus Pommern an den Rhein - Die Fluchtodyssee der Familie Warmbier

Im Endkampf des Krieges 1939/45 rückte die sowjetische Armee der deutschen Grenze immer näher. Für die Bevölkerung der östlichen Gebiete begann nun eine dramatische Flucht. Über 12 Millionen Menschen aus Ostpreußen, Pommern, Neumark und Schlesien waren unterwegs. Laut Statistik sind 2 Millionen umgekommen. In letzter Minute flüchtete Charlotte Warmbier am 3. März 1945 mit ihrem Sohn Hans-Jürgen aus der Kreisstadt Regenwalde in Richtung Westen. Die Lage in Westdeutschland beherrschten die Alliierten. Sie schoben sich immer weiter ins Land, sodass Westdeutschland keine Flüchtlinge aufnehmen konnte. Aus diesem Grund wurden viele dieser Flüchtlinge in nördliche Räume bis nach Dänemark abgeschoben, das von deutschen Truppen besetzt war, und zwar nach Nordschleswig, das bis zum Ende des 1. Weltkrieges 1918 zu Deutschland gehörte.

Nach der Kapitulation vom 8. Mai 1945 wurde Dänemark von der britischen Armee verwaltet. Die Warmbiers kamen nach Mittel-Jütland in das Internierungslager Grove bei Karup (bis Kriegsende Flugplatz der deutschen Luftwaffe). Bewachung hinter Stacheldraht durch englische Soldaten.

Nach dem Krieg war durch die Übergabe Pommerns an Polen Regenwalde nicht mehr deutsches Gebiet und in Westdeutschland herrschte Zuzugssperre, sodass man nach der Entlassung im September 1946 notgedrungen zu Verwandten nach Rügen (zu der Zeit Sowjetische Besatzungszone) und von dort zu einem Onkel in den Kreis Stendal zog. Ehemann Werner Warmbier war am 28. 8. 1944 an der Ostfront gefallen. In Regenwalde hatte die Familie ein Feinkost-, Konfitüren-, Wein- und Spirituosengeschäft. Als nach der Gründung der DDR die Situation durch Enteignung, Verstaatlichung und Bespitzelung immer unerträglich wurde, flüchtete man in den Westen.

Nach mehrmaliger Ablehnung einer Interzonen-Reisegenehmigung durch russische und DDR-Behörden, bekam Frau Warmbier Besuchserlaubnis zu ihren Eltern, die 1950 aus Schleswig nach Steeg umgesiedelt wurden. Dieser 13. August 1951 (10 Jahre später wurde die Mauer gebaut) war nach 6 Jahren Fluchtodyssee der Beginn eines neuen Lebensabschnitts, In Steeg und ab 1958 in Baeharach, lebte sie zum ersten Mal seit 1945 unter menschenwürdigen Bedingungen. Deshalb ist Bacharach ihre Ersatzheimat geblieben. Die Aufgabe, dort allein für den Lebensunterhalt der Kindererziehung und Ausbildung zu sorgen, war hier besser gegeben.