Heimatblatt Nr. 30

Titelbild

Großbrand in der Langstraße am 29. Juli 1899, 8 - 9 Häuser auf der Stadtmauer südlich des Kranenturms brannten ganz oder teilweise ab. Funkenflug von der Eisenbahn soll die Ursache gewesen sein.
Im Vordergrund das Köln-Düsseldorfer Personenschiff “Deutscher Kaiser”, Baujahr 1871, 975 PS, Kohlenverbrauch 16,5 Ztr./Std., Kapazität 1.600 Personen, 1911 an die Hamburg-Stade-Altländer Linie verkauft, 1912 von Nijmwegen über See dorthin überführt und in “Hamburg” umgetauft.
1919 wegen zu hohen Kohlenverbrauch außer Dienst gestellt und 1924/25 abgewrackt.

Inhaltsverzeichnis

  • 150 Jahre Lang′sche Stiftung   Leseprobe
  • Viertälernachrichten
  • Meine Lebensgeschichte - von Rosemarie Larisch ⋅ Teil 4
  • Victor Hugos Rheinreise Teil 2   Leseprobe
  • Röhrenbrunnen an der Steeger Kirche
  • Vom "Wilden Gefährt" unterhalb der Nahemündung durch "die Wilden Wasser" nach St. Goar
  • Wir wollen unseren Alten Kaiser Wilhelm wiederhaben

Leseprobe

Leseprobe  150 Jahre Lang′sche Stiftung

Der Wunsch des Jacob Lang, ein Waisenhaus in Bacharach zu errichten, war Wirklichkeit geworden. Der Gemeinderat von Bacharach hatte beschlossen, ihm zu Ehren die Unterstraße in Langstraße umzuwidmen. Dieser denkwürdige Tag, der 9. Dezember 1857, dem 69. Geburtstag des Stifters, wurde mit einem würdigen Festtag begangen. Ein authentischer Bericht liegt von diesem Tage vor und dieser soll hier wörtlich wiedergegeben werden.

Lang′sche Stiftung

Bericht über das unter dem Namen “Lang′sche Stiftung” errichtete Waisenhaus zu Bacharach am Rhein.

Unser Anfang sei im Namen Gottes des Vaters, von dem alles Gute kommt!

“Nachdem am 8. Februar 1857 die Stiftungsurkunde über das Waisenhaus, Lang′sche Stiftung zu Bacharach a/Rh. errichtet war, laut welcher der Stifter, Herr Johann Jacob Lang, einem lang gehegten Wunsche seines Herzens, selbst kinderlos, andern hilfsbedürftigen Kindern Vater zu werden, nach kommend, 20.000 Thaler und ein zu Bacharach gelegenes Haus zu diesem Zweck schenkt und dieselbe unter dem 26. Mai des Jahres die Genehmigung der Königlichen Regierung erhalten hatte, fand am 9. Dezember desselben Jahres, also am 69. Geburtstage des Stifters, die feierliche Einweihung des Hauses statt. Zahlreiche Gäste hatten sich von nah und fern zu derselben eingefunden, welche sich am Morgen dieses Tages am Hause des Stifters versammelten und von da im feierlichen Zuge nach dem Stifterhaus begaben. Der Stifter mit den ersten 6 Waisen voran. Im Waisenhaus war alles mit Kränzen und Blumen festlich geschmückt. Dort angekommen stimmten die Festgäste mit der Jugend einen Festgesang an, worauf der Stifter mit kurzen Worten das Haus seiner jetzigen Bestimmung weihte und dem Herrn Bürgermeister die Statuten zum verlesen übergab. Hierauf hielt Herr Pfarrer Bornemann eine der Bedeutung des Tages sinnvoll angepaßte Rede, der Schluß bildete Gesang. Nachdem das Haus in Augenschein genommen war, begaben sich die Festgäste in den Gasthof zum Blüchertal, wo ein Festessen sie bis zum Tagesschluß in Lieb und Freude vereinigt hielt. Unter den Toasten ist jener des Herrn Landrath Movius besonders zu gedenken, der, diesem freudigen Tage gewidmet, aller Herzen mächtig ergriff. Am Abend bewegte sich ein großer Fackelzug von hiesigen und auswärtigen Bürgern aller Confessionen und Stände gebildet, unter Begleitung von Hornmusik auf den Marktplatz vor dem Gasthof; woselbst er einen Kreis bildete und Herr Dr. Volkmann im Namen der Stadt dem Festgeber seinen Dank für diesen, der ganzen Stadt so wichtigen und bedeutungsvollen Tag darbrachte und dem Stifter ein Dokument überreichte, worin gesagt ist, daß hinfort die Unterstraße, in welcher das Waisenhaus liegt, den Namen “Lang-Straße” haben soll. Darauf wurde von allen Anwesenden dem Stifter ein freudiges Hoch gebracht und die Mitglieder des Gesangvereins zu Steeg führten einige schöne Gesänge aus. Zu dem war die St. Werner Kapelle festlich erleuchtet und Böllerschüsse ließen sich von früh Morgens bis zum späten Abend munter hören. So endete unter allgemeiner Befriedigung, ein freudiges Andenken zurücklassend, dies schöne Fest.

Nach diesem Rückblick auf den fröhlichen Stiftungstag bleibt uns noch übrig, über die seitherige Entwicklung des Waisenhauses und bedeutende Vorfälle in demselben zu berichten. Um eine Vorsteherin zu erwerben wandte der Stifter sich an Herrn Pfarrer Fliedner zu Kaiserswerth, der jedoch aus Mangel einer passenden Person nicht aushelfen konnte. Man mußte sich deshalb anderweitig nach einer passenden Vorsteherin umsehen. Diese fand sich auch in einem Fräulein Henrici, welche dem Haushalt und der Erziehung der Kinder sieben Monate hindurch zu vollster Zufriedenheit vorstand. Leider wurde sie durch ihre Verhältnisse genöthigt, nach dieser Zeit auszuscheiden, und eine Witwe Frau Mayer übernahm die Verwaltung der Stelle, bis, da sie nicht für die Dauer da bleiben konnte, anderweitig dafür gesorgt werden konnte. Es meldeten sich mehrere, darunter ein Schneider mit seiner Frau und einzigem Kind. Da sich diese Leute der allgemeinen Achtung erfreuen und Sinn und Begabung für die Pflege der Waisenkinder zeigten, so wurde Meister Braun als Hausvater und seine Frau als Hausmutter seit Oktober 1858 angenommen und haben sich dieselben seither bewährt, so daß wir hoffen dürfen, daß es unter Gottes Beistand auch ferner gut mit ihnen gehen wird. Die Kinder gedeihen leiblich und geistig und freuen sich der Freistatt, die ihre unbeschützte Jugend gefunden.

Wir haben die Erfahrung gemacht, daß die Annahme von verwahrlosten Kindern, denen uns eins oder beide Eltern noch leben, ohne daß dieselben ganz Verzicht auf ihre Kinder leisten, eine gedeihliche Erziehung im Waisenhaus nicht zuläßt, da der Verkehr mit ihren Eltern die guten Eindrücke, die sie dort empfangen wieder vernichten. So sehen wir uns genöthigt, zwei der Kinder den Eltern wieder zurückzugeben. Ein liebes Kind, Christine Fülber aus Manubach, welches wir krank aufgenommen, starb uns trotz der sorgfältigen Behandlung der Ärzte nach einem Jahr, im 14. Lebensalter sanft und ergeben in den Willen Gottes.

Gegenwärtig sind drei Knaben und fünf Mädchen in unserer Anstalt und unser Haushalt geht seinen regelmäßigen Gang. Über die Verwaltung des Vermögens und den Haushalt folgt anbei der Rechnungsschluß bis zum 31. Dezember 1858, wonach das Vermögen sich um 13 Thaler vergrößert hat.

Wallte Gott der Herr ferner in Gnaden über der Anstalt und lasse den Stifter desselben noch lange des fröhlichen Gedeihens derselben sich freuen.”

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Leseprobe  VICTOR HUGOS RHEINREISE (2. Teil)

lesen Sie auch den Ersten Teil der Rheinreise im Heft 029

Von Rheindiebach nach Bingen

Des anderen Tags um fünf ein halb Uhr morgens, nachdem ich die nötige Anweisung gegeben, daß mein Gepäck nach Bingen geschafft werde, verließ ich Lorch im Frührot, und ein Nachen brachte mich an das jenseitige Ufer. Wenn Sie jemals diesen Weg machen, so tun Sie wie ich. Die römischen, romanischen und gotischen Ruinen des linken Ufers haben weit mehr Interesse für den Fußgänger als die Schiefer des rechten. Um sechs Uhr nach einem steilen Emporsteigen zwischen Weinreben und Gesträuchen saß ich auf dem Gipfel eines Berges von ausgelöschter Lava, die das Schloß Fürstenberg und das Tal von Diebach beherrscht, und hier konnte ich einen Irrtum der Altertumsforscher berichtigen. Sie erzählen nämlich, daß der große Turm auf Fürstenberg außen rund und innen sechseckig sei. Von dem erhabenen Platz aus, wo ich mich befand, konnte ich hinreichend tief in den Turm hinabblicken, und ich kann versichern, daß er innen so rund wie außen ist. (…) Zu meinen Füßen war die Landschaft durch dichten weißen Nebel verhüllt, dessen Ränder die Sonne vergoldete. Man konnte meinen, daß eine Wolke in das Tal heruntergefallen sei. Als die siebte Stunde aus dem Nebelgewölk des Glockenturms von Rheindiebach ertönte, flog der Baumhacker davon und ich erhob mich. Während ich hinunterging, stieg der Nebel, und als ich zum Dorf kam, langte auch der Sonnenstrahl an. Wenige Minuten hatte ich das Dorf im Rücken, ohne daran gedacht zu haben, das berühmte Echo seiner Talschlucht zu befragen (…).

Ich hatte noch keine halbe Stunde gemacht, und kaum Nieder- Heimbach erreicht, als ich schon wieder auf drei junge Leute stieß, die in Gesellschaft dahinschritten. (…)

Über Nieder-Heimbach bauen und erheben sich die Höhen des düstern Sann- oder Soon-Waldes, und hierin unter Eichen die beiden verfallenen Schlösser, Heimburg, eine römische, und Sooneck, eine Räuberburg (…). Eine noch trübseligere Ruine verbirgt sich in den Falten der Berge, die Falkenburg (alter Name der Burg Reichenstein, Anm. der Verf.). Ich hatte das Dorf hinter mir. Die Sonne war glühend, die frische Luft vom Rhein wurde lau, auf der Straße erhob sich Staub; zu meiner Rechten bog zwischen zwei Felsen eine schmale schattige Bergschlucht ab (…). Ich ließ mich nicht lange bitten und ging nach der Schlucht. Unmöglich zu sagen, was ich dort getan, oder vielmehr, was die Einsamkeit dort mit mir getan (…). In diesen Bergen verband sich alles mit meinem Gedanken und paßte zu meinen Träumen: das Grün, die verfallenen Gemäuer, die Gespenster, die Landschaft, die Erinnerungen, die Menschen, die einst durch diese Einsamkeit geschritten, die Geschichte, die hier gewetterleuchtet, die Sonne, die noch immer strahlt. Cäsar, so sprach ich zu mir, ging hier zu Fuß wie ich, sprang vielleicht über diesen Bach, und der Krieger mit seinem Schwert folgte ihm nach. Fast alle großen Stimmen, die den menschlichen Verstand erweckten, setzten das Echo im Rheingau und am Taunus in Bewegung. (…) Aber in Gegenwart einer hohen Eiche, so reich an Alter und an Leben, strotzend von Triebkraft, beladen mit Blättern, bewohnt von tausend Vögeln ist es immer viel, noch an jenen Geist denken zu können, der Luther, an jenes Gespenst, das Johannes Hus und an jenen Schatten, der einst Cäsar war. (…) Hinter dem Berg, worauf ich saß, gewahrte ich auf einer anderen mit Tannen, Kastanien und Ahorn bedeckten Höhe den kolossalen Steinhaufen einer Ruine aus braunem Basalt. (…) Man denke sich eine Menge Dorngesträuche, hinabgestürzte Decken, ausgebrochene Fenster, und um das alles vier oder fünf Teufel von schwarzen, verschütteten und fürchterlichen Türmen. (…) Viele Stunden brachte ich an diesem Schutthaufen zu, saß unter undurchdringlichen Gesträuchen und ließ die Gedanken kommen, wie sie wollten. Spiritus loci.
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Mehr als ein Reisebericht

Im Januar 1842 bringt Victor Hugo seine zweibändige Ausgabe “Le Rhin. Lettres à un ami” heraus. Ebenfalls 1842 erscheint in Frankfurt am Main die deutsche Fassung.

Dieser Reisebericht hebt sich von den übrigen Reiseberichten ab.

Hugo geht es nicht um das bloße Zusammentragen von Fakten oder die Wiedergabe allseits bekannter Sagen. Er greift unbekannte Erzählungen auf und scheut sich auch nicht, von ihm selbst erfundene Märchen mit einzustreuen. Er gibt Stimmungen wieder, das subjektive Erleben steht im Vordergrund seiner Beschreibungen. Seine bildreiche Sprache, knapp zumeist, erleichtert die Vorstellung von Schönheit und Grauen. Erzählende und beschreibende Passagen bilden zusammen mit den historischen und geografischen Exkursen sowie den persönlichen Meditationen ein harmonisches Ganzes.

Hugo transferiert seinen Bericht auf eine geschichtsphilosophisch-politische Ebene und distanziert sich so von der rein journalistischen und humoristischen Reiseliteratur seiner Zeit. (Vorbild André Malraux, Alphonse de Lamartine, François René de Chateaubriand). Seine conclusion, die heute kaum noch gelesen oder nachgedruckt wird, jedoch ein Sechstel des Gesamtwerkes ausmacht, wollte er durchaus als ernstzunehmende politische Theorie verstanden wissen.

Die Rheinfrage

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Politische Wirren und literarische Erfolge

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