Heimatblatt Nr. 42
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Inhaltsverzeichnis
Leseprobe
In eigener Sache
Der Stiftungsbeirat der Kulturstiftung Rhein-Nahe hat im Jahr 2013 erneut die Erstellung unseres Heimatblattes gewürdigt und dem Geschichtsverein Bacharach einen Förderbeitrag in Höhe von 120,- Euro zugesprochen. Dafür bedankt sich der Geschichtsverein bei der Kulturstiftung der VG Rhein-Nahe ganz herzlich.
Unser Mitglied Michel Paff hat dem Verein mittlerweile wieder zwei antiquarische Bücher zukommen lassen. Das eine, ein Bildband ,,Am Rhein, am Rhein, am deutschen Rhein", mit alten Aufnahmen bekannter Rheinstädte, auch von Bacharach. Das zweite Buch ,,Auswanderer" befasst sich mit der Auswanderungsbewegung der Deutschen aus verschiedenen Jahrhunderten in alle Weit. Für die Überlassung dieser beiden Bücher, die nun in unserem Archiv stehen, danken wir Herrn Paff.
Im September dieses Jahres öffnete der Geschichtsverein in Abstimmung mit der Stadtverwaltung zum Tag des offenen Denkmals wieder den Holzmarktturm (Steeger Tor) für ein interessiertes Publikum, das diesesAngebotzahlreich annahm.
Eine neu entdeckte Zeichnung des Klosters Fürstenthal bei Bacharach
[Autor/in: Dr. Dagmar Aversano-Schreiber]
"Das erste, was mich langerfesthielt, war vor Bacharsch die Ruine einer links am Wege gelegenen Kapelle. Die jungen hohen Nußbäume drangen so malerisch durch das alte Mauerwerk! Ich lies halten, stieg hinauf und drang in das Innere. -Ich wußte lange nicht, wenn ich etwas friedlicheres, stilleres, eigenthümlichereS gesehen hätte, als diese zerfallene kleine Kirche. - Wie der Epheu zu den gothischen Tragknäufen der eingestürzten Kreuz-gewölbe hinenwuchs, wie üppiger Pflanzenwuchs den Schutt des Bodens überstrickte, wie das junge Nußlaub zu den offnen schmalen gothischen Fensterbögen hinaussah, während die Berge des rechten Rheinufets von drüben hereinblickten, und wie so die Abendsonne noch die Reste alter Verzierungen an den noch stallenden Pfeilern erleuchtete!
Ich lehnte lange zeichnend in diesem lnnern, in welchem stilles Naturleben jetzt der wahre, geheime, ewige Kirchendienst gegen den höchsten Quell alles Lebens verwaltete! - Endlich mußte ich mich gegen das alte Bacharach selbst wenden."
An dieser Stelle sei herzlich Friedrich Paff aus Bacharach, wohnhaft in Marburg, gedankt, der mich auf den Tagebucheintrag von Carl Gustav Carus aufmerksam gemacht hat.
Der Arzt und Maler Carl Gustav Carus besuchte auf seiner Reise durch das Rheinland 1835 eine ihm unbekannte Ruine in unmittelbarer Nähe zu Bacharach. Die Zeichnung in seinem Reisetagebuch wird heute im Kupferstich-Kabinett der staatlichen Kunstsammlungen Dresden aufbewahrt und veranschaulicht das im Tagebuch Beschriebene. Es dauert einen Augenblick, bis man sich in die Bleistiftzeichnung eingesehen hat. Dann erlcennt man, dass der Besucher inmitten einer einschiffigen, gotischen Kirche steht, deren Dach fehlt. Der Boden ist mit Erde bedeckt, auf welcher Bäume und Sträucher wachsen. Darunter dürften die Trümmer des eingestürzten Daches liegen. Eine leichte Rundung zeigt die östliche Apsis an. Die Mauern sind von hohen schmalen, spitzbogigen Fenstern durchbrochen. Im nord-östlichen Bereich fällt ein gotisches Kleeblattbogenfenster ins Auge. Im unteren Bereich sind kleine, durch spitze Bögen gekennzeichnete Nischen in der Wand erkennbar. Man sieht am Mauerwerk noch die Konsolen und Anfänger für die Bögen des Kreuzrippengewölbes.
Um welche Ruine handelt es sich, und wer war ihr Erbauer?
Obwohl Carus den Namen der Ruine nicht kannte, können wir davon ausgehen, dass es sich hier um die Reste des Wilhelmitenklostsrs Fürstenlhal handelt, manchmal auch als Kloster Windsbach bzw. Kloster Wilhelmsthal bezeichnet. Hier im Wald des einsamen Winzbachtals bei Bacharach soll im April 1287 der Leichnam des angeblich von Juden ermordeten Knaben Wemer gefunden worden sein, welcher bald darauf in der später als Wernerkapelle bezeichneten Kunibertkapelle beigesetzt und in der Folge als Märtyrer vom Volk verehrt wurde.
Im Zuge des Kanonisationsprozesses durch den Bacharacher Pfarrer Winand von Steeg, der die Heiligsprechung Werners anstrebte, wurde am 26. September 1428 auch der Zeuge Nr. 205, der Prior das Wilhelmitenklosters bzw. St. Werners Haus, Philipp Bruning, befragt. Er gab an, dass neben der Martersäule in Oberwesel und der Wernerkapelle in Bacharach dieses Kloster das dritte Oratorium für Werner sei. "Wenn St. Wernerus, eingehüllt in dem von seinem Blute gerötheten Sack daselbst nicht zwischen Domen und Gesträuch verborgen gewesen, so würde niemals hier ein Kloster entstanden sein, das Kloster, welches in dem gesamten Niederland St. Wemers Haus genannt wird."
Ludwig II., Pfalzgraf bei Rhein und Herzog von Bayern, habe den Wilhelmiten am 17. Februar 1288 ein mit Gesträuch überwachsenes Stück Land geschenkt, damit sie dort ihr Kloster bauten. Am 24. September 1292 sei eine weitere Schenkung erfolgt. Der Sohn Ludwigs, Rudolf, fügte am 5. Dezember 1293 eine dritte Schenkung hinzu. Letztendlich erhielt das Kloster Ostern 1305 das Patronatsrecht an der Pfarrkirche von Schnorbach bei Rheinböllen. Diese Schenkungen wurden von Papst Nicolaus IV. bestätigt. Die Regesten der Pfalzgrafen erwähnen am 17. Februar 1288 ebenfalls eine Schenkung L.udwigs II. an die Wilhelmiten: "die stätte zur errichtung des dem heil. Wernher gewidmeten klosters windspach bei Bacharach".
Die Hintergründe dieser Stiftung
Am 18. Januar 1256 stürmte nach tagelangem Ritt Ludwig II. in die Burg Mangoldstein bei Donauwörth. Er tobte und bezichtigte seine Frau Maria von Brabant, Tochter Herzog Heinrichs II. von Brabant und dessen Ehefrau Maria von Schwaben, wohl zu Unrecht der ehelichen Untreue und ließ sie, ohne dass ihr die Möglichkeit gegeben wurde, sich zu verteidigen, enthaupten. Der Wut des pfalzgräflichen Othello fällt mindestens eine weitere Hofdame zum Opfer, andere Quellen berichten gar von drei weiteren ermordeten Dienerinnen sowie dem Tod des Boten. Anlass der Tragödie soll nämlich ein vertauschter Brief gewesen sein, in welchem Maria dem Oberstallmeister das vertrauliche Du angeboten habe. Ihr eifersüchtiger Ehemann unterstellte ihr Schlimmeres. Von diesen Hintergründenwusste Prior Philipp Bruning jedoch nichts.
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