Broschüre

Die Bacharacher Stadtbefestigung

Autor:

Karl-Ernst Linz

Herausgeber und Verleger:

Verein für die Geschichte der Stadt Bacharach und der Viertäler e. V.h

Reproduktion und Layout:

Horst Stimmann, Bacharach

Druck:

PSL Print-Service Listl, 55411 Bingen-Büdesheim

Erschienen

2014

Seiten

64

Preis

3,50 EURO

ISBN

978-3-928022-14-9

Inhaltsverzeichnis

  • Vorwort
  • Befestigungsanlagen in der Viertälermark
  • "Nicht immer waren so morsch und verfallen die Mauern"
  • Von den Anfängen der Bacharacher Stadtbefestigung
  • Erste Zerstörungen - Die Zeit der mittelalterlichen Stadtbefestigungen ist vorbei
  • Münzturm und Zollturm im Dreißigjährigen Krieg
  • Die Folgen des Pfälzischen Erbfolgekrieges für die Stadtbefestigung
  • Ein Überblick Leseprobe
  • Die Stadtbefestigung an der Rheinfront
  • Ein Türmchen, das man heute kaum noch sieht
  • Die neue Zollstätte
  • Die Stadtbefestigung an der Südseite der Stadt und im Zollbereich - Versuch einer Rekonstruktion
  • Die Stadtbefestigung an den Berghängen zwischen Hutturm und Zehntturm
  • Die Stadtbefestigung vor dem Zehntviertel
  • Ein Stadtmauerrundweg soll den Stadtmauerring erschließen
  • Anmerkungen

Leseprobe

Ein Überblick

Die architektonische Durchgliederung der Bacharacher Stadtbefestigung lässt erkennen, dass sie, wie bereits erwähnt, ohne zeitliche Unterbrechung entstanden ist. Eine Ausnahme ist die Zwingeranlage an ihrem südlichen Abschnitt, auf die noch einzugehen ist. Im Gegensatz zu den Stadtbefestigungen von Oberwesel und St. Goar zeigt die Bacharacher Stadtbefestigung meist einen strengen und schlichten Aufbau. Sie hat eine Länge von etwa 1000 m.

Die rechteckigen Tortürme in der Rheinfront sowie der Postenturm und der Liebesturm haben eine Mauerstärke von 1,50 Meter, eine Breite von sechs bis acht Meter und eine Mauerhöhe von durchschnittlich 20 Meter. Sie haben vier bis fünf Geschosse und waren zur Stadtseite hin geöffnet. Die Fallgatter befanden sich vor den spitzbogigen Toröffnungen und bekamen ihre Führung durch hakenförmige Hausteine. Auf eine stärkere Gliederung der Mauerflächen wurde verzichtet. Nur Kranenturm und Münzturm zeigen eine Auskragung des Obergeschosses. Alle Türme, ausgenommen der Steeger Torturm, verloren 1689 ihre Dächer. Einige von ihnen haben diese im Laufe der Zeit nach 1775 wieder erhalten. Ursprünglich hatten die Türme wohl keine Dächer und waren oben nur mit Zinnen versehen. Es waren reine Verteidigungstürme. Ausgenommen der Diebsturm und der Zollturm.

Die Erbauung der Stadtbefestigung ist, wie schon dargelegt, in die zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts zu datieren. Stilgeschichtlich fällt sie in die Blütezeit der Gotik, was man an den Verzierungen von Münz- und Marktturm gut erkennen kann, was später noch genauer beschrieben wird.

Bei einigen Türmen haben sich im Laufe der Zeit die Namen geändert. Der Postenturm hieß Katzenturm, der Spitze Turm war der Postenturm und der Diebsturm hieß Pulverturm. In der Folge sollen die heutigen Namen verwendet werden. Der Turm, der einst den Zugang aus dem Steeger Tal sicherte, wird Steeger Torturm, aber auch Holzmarktturm genannt.

Wagner schreibt, dass die Befestigungsanlage 16 mit Wehrgängen verbundene Türme hatte und man durch sieben Tore und zwei kleinere Pforten in die Stadt gelangen konnte. Im Folgenden soll später noch auf weitere Türme und Pforten hingewiesen werden.

Verfolgen wir nun den Verlauf der Stadtmauer und beginnen mit dem Diebsturm am Nordende der Stadt. Von ihm aus verläuft die Mauer an der Rheinfront entlang zum ehemaligen Zollturm, der an der heutigen St.- Nikolaus-Kirche stand. Zwischen Münzturm und Zolltor sind die Häuser auf die Mauer aufgesetzt und der Wehrgang wurde später als Stadtmauerweg ausgebaut, der meist unter den Häusern hindurchführt. Vom ehemaligen Zollturm aus geht die Mauer zur Oberen Pforte, die in der Nähe der Toreinfahrt zum Rathaus stand, durchquerte den Hof und stieg zum Hutturm empor.

Von der Oberen Pforte führte eine Brückengasse aus der Stadt über den etwa 20 m breiten Stadtgraben zum ehemaligen Brückentor, an dem die äußere Mauer der einstigen Zwingeranlage, die in einem späteren Kapitel näher beschrieben wird, begann. Auch diese äußere Mauer stieg zum Hutturm hinauf. Die Mauer ist heute abgetragen. Auf ihren Resten befindet sich im unteren Bereich der Treppenaufstieg zum Kühlberg. Vom Brückentor aus führte Richtung Rhein eine weitere Mauer am Stadtgraben entlang zur Unteren Pforte und von dieser zum Zollturm.

Merian zeigt die Bacharacher Stadtbefestigung im Jahr 1632. So hat sie wohl anfangs nicht ausgesehen. Die Türme waren Wehrtürme ohne Dach. Mit Hilfe von Leitern erreichte man die einzelnen Stockwerke, die wahrscheinlich mit Holzböden versehen waren, auf denen man stand und den Feind bekämpfen konnte. Ausnahmen waren der Diebsturm (Pulverturm) am Nordende und der Zollturm am Südende der Rheinfront. Sie hatten ein Dach und eine feste Steintreppe und wurden benutzt, was man an den Namen erkennen kann. So wohnte im Zollturm die Wachmannschaft, die den Zollbereich bewachte und die an- und abfahrenden Schiffe beobachtete.

Vom Hutturm aus verläuft die Stadtmauer zum Sonnenturm und zum Kühlbergturm. Vom Sonnenturm steht nur noch ein Stumpf, der auf der Südseite 7,25 m breit ist und noch eine Höhe von etwa acht Meter hat. Die Höhe des Kühlbergturms beträgt zur Stadtseite hin noch sieben bis acht Meter. Die Mauer führt weiter zum Runden Halbturm bis zur Burg Stahleck empor, schließt diese als westliche Schlüsselstellung in das Befestigungssystem ein und erreicht über den Liebesturm im Steeger Tal den Holzmarktturm (Steeger Torturm). Von dort aus geht die Mauer zum Postenturm, der rechts und links von zwei Türmchen mit spitzen Dächern flankiert wird, die eine Verteidigung dieses Mauerabschnitts zur Bergseite hin verbesserten. Die Mauer steigt zum Spitzen Turm empor, fällt dann stufenförmig hinab zum ehemaligen Zehntturm und läuft auf den Diebsturm zu.

An der Rheinseite hat die Mauer eine Breite von etwa drei Meter und ihre Höhe betrug fünf bis sechs Meter. Sie schützte die Bewohner der Stadt auch vor Eisgängen. Die Mauerabschnitte an den Berghängen hatten die gleiche Höhe, aber eine geringere Stärke. Auffällig ist ihre heute geringere Höhe, stellenweise kann man die Mauer nur noch erahnen. Als sie keine Bedeutung mehr hatte, wurden ihre Steine vermutlich zum Bau von Weinbergsmauern und zum Bau von Häusern abgetragen. Zwischen Burg Stahleck und Liebesturm stand vermutlich auch ein Turm, der aber völlig verschwunden ist.

Zur Stadtseite hin waren die Türme, auch Schalentürme genannt, offen. Der Grund für die offene Seite war ein militärischer. Es sollte verhindert werden, dass der Feind nach der Eroberung eines Turms von diesem aus die Stadt angreifen konnte.

Geht man die Stadtmauer entlang, dann kann man heute noch sehen, wie die Maurer damals Mauern und Türme gebaut haben. Sie wurden ohne Hochgerüst und meist ohne Kräne gebaut. Auf den vielen Treppen konnten die Arbeiter Steine und Mörtel nach oben tragen. Lange, schlanke Fichtenstangen zum Bauen eines Gerüstes gab es noch nicht. Fichten wurden erst nach 1815 von den Preußen angepflanzt.

Wie konnte man diese hohen Mauern ohne lange Fichtenstangen bauen? Betrachtet man die Mauern genauer, dann fallen die vielen runden oder viereckigen Löcher auf. Es sind Gerüstlöcher. Eine andere Technik des Gerüstbaus machte den Bau solcher hohen Mauern möglich. Man errichtete zunächst eine brusthohe Mauer und legte dann Rundhölzer oder Balken, die auf beiden Seiten der Mauer genügend herausragten, quer über die Mauer und mauerte dann auf den Querhölzern bis in Kopfhöhe weiter. Diese Technik wurde auch auf der anderen Seite der Mauer angewandt. Auf die inzwischen belastbaren Hölzer legte man Bretter, auf die man sich stelle und konnte weiter so den nächsten Abschnitt in die Höhe mauern. Da die Breite der Mauer über zwei Meter war, hätte man eine große Anzahl von Steinen und viel Mörtel verarbeiten müssen. Daher füllte man den Raum zwischen der äußeren und der inneren Mauer mit Steinabfällen, Mörtelresten und Lehm auf, was den Bau verbilligte. Die übestehenden Hölzer sägte man ab, die Reste in den Mauern sind meist verfault.

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