Schriftenreihe - Nr. 33

Purichelli und Kirsch-Puricelli
Großunternehmer, Stifter und Mäzene

Autor :

Karl Ernst Linz

Herausgeber und Verleger:

Verein für die Geschichte der Stadt Bacharach und der Viertäler e. V.
Postfach 1139
55419 Bacharach

Reproduktion und Layout:

Horst Stimmann

Druck:

PSL Printservice Listl, 55411 Bingen

Erschienen

2015

Seiten

37

Preis:

3,00 EUR

Inhaltsverzeichnis

  • Carl Puricelli (vom Specereyen-Händler zum Industrieunternehmer
  • Eine neue Generation führt den Betrieb
  • Olga heiratet den Hütteningenieur Dr. Nikolaus Kirsch
  • Burg Reichenstein in Trechtingshausen
  • Zur Geschichte der Burg
  • Vom Ausbau der Burg
  • Die Familie des Burgherrn
  • Die Firma "Gebrüder Puricelli" nach 1905
  • Eine Epoche geht zu Ende
  • Der letzte Puricelli
  • Wie ging es mit Burg Reichenstein weiter?
  • Die Familien Puricelli/ Kirsch-Puricelli als Stifter und Mäzene
  • Nachwort

Leseprobe

Burg Reichenstein in Techtingshausen

Durch den Kauf einer Burg versuchten die Puricelli die Zurücksetzung durch den Adel auszugleichen und ihr Ansehen in der Gesellschaft zu stärken. Denn der Lebensstil des Adels war Vorbild und da man über die finanziellen Mittel verfügte, konnte man diesen Lebensstil auch in die Realität umsetzen.

1898 erwarb Dr. Nikolaus Kirsch-Puricelli Burg Reichenstein und schlug ein neues Kapitel in der Geschichte der Familie auf und für die Burg selbst begann eine neue Epoche. Aus den Ruinen eines mittelalterlichen Wehrbaus entstand eine repräsentative Wohnanlage.

Zur Geschichte der Burg

Die Geschichte der Burg Reichenstein lässt sich bis weit ins Mittelalter zurückverfolgen. In frühfränkischer Zeit gehörten Reichenstein und die Gemeinden Trechtingshausen, Niederheimbach und Oberheimbach zum Königsgut und in der Mitte des 9. Jahrhunderts ging dieses Gebiet an das Kloster Kornelimünster bei Aachen. Ein Vogt verwaltete das Gebiet. Einer von ihnen war Philipp von Hohenfels, dessen Name im Zusammenhang mit dem aufkommenden Raubrittertum am Mittelrhein bekannt wurde, weil er überhöhte Zölle verlangte, die Bewohner ausbeutete und durchfahrende Kaufleute ausraubte. Um 1253 zerstörte das Heer des Rheinischen Städtebundes die Burg. Doch Hohenfels baute sie bald wieder auf und versah sie mit einer 15 Meter hohen und drei Meter dicken Schildmauer, die heute noch erhalten ist und als eine der ältesten und stärksten Schildmauern im Rheinland gilt. Das Kloster Kornelimünster verkaufte wegen der Unsicherheiten seine Besitzungen an das Mainzer Domkapitel und das Kollegialstift St. Maria ad gratus zu Mainz. Aber auch hier erwies sich der neue Vogt, Dietrich von Hohenfels, als wahrer Nachkomme seines Vaters. 1282 belagerte Rudolf von Habsburg mit seinem Heer die Raubritterburg, konnte sie aber erst nach langer Belagerung einnehmen. Dietrich von Hohenfels konnte entkommen und begab sich unter den Schutz des Pfalzgrafen Ludwig.

Nach der Haussage der Burg dagegen konnte Dietrich von Hohenfels nicht entkommen. Diese Sage vom "Mann ohne Kopf" erzählt die Geschichte folgendermaßen:

Dietrich wurde mit seinen sieben Söhnen, deren Existenz nicht belegt ist, gefangen genommen und Rudolf von Habsburg ordnete seine Hinrichtung an. Dietrich bat um Gnade für seine Söhne, da sie unschuldig seien und nur auf seinen Befehl hin gehandelt hätten. Der Kaiser entsprach der Bitte Dietrichs um Schonung seiner Söhne, stellte aber eine Bedingung. Sie mussten sich in einer Reihe aufstellen. Nur diejenigen sollten verschont werden, an denen Dietrich mit abgeschlagenem Kopf vorbeilaufen würde. Was ihm der Sage nach auch gelang. Eine Parallele zur Hamburger Störtebecker-Saga ist unverkennbar.

Mehrmals kam es zu Streitigkeiten um die Burg zwischen Kurpfalz und Kurmainz. Auffällig ist, dass es auf der kurzen Strecke zwischen Bacharach und Bingerbrück, einschließlich der Stahlberg im Steeger Tal, sieben Burgen gab, eine Häufung, die wir sonst nirgendwo am Rhein kennen. Gründe hierfür waren sicher die lukrativen Zolleinnahmen, aber auch der Schutz der Grenzen rivalisierender Territorialstaaten

Gegen Ende des 17. Jahrhunderts konnten die mittelalterlichen Befestigungsanlagen wegen der fortgeschrittenen Waffentechnik ihre Bewohner nicht mehr schützen. Reichenstein begann zu zerfallen.

Vom Ausbau der Burg

Bis ins 20. Jahrhundert wurde Burg Reichenstein auch Falkenburg genannt. Der Name geht vermutlich auf Dietrich von Falkenstein oder Kuno von Falkenburg zurück, die im 14. Jahrhundert Besitzer der Burg wurden.

Nach mehreren Vorbesitzern kaufte schließlich 1898 Dr. Nikolaus KirschPuricelli die Burg von einem deutschen Konsul. Um die umfassende Neugestaltung und Erweiterung der Burg durchführen zu können und die Heranschaffung der benötigten Baumaterialien zu gewährleisten, wurde der Burgweg, der von Trechtingshausen zur Burg Reichenstein hinaufführte, verbreitert. 1900 war der neue Burgweg fertig und die Arbeiten an der Burg konnten beginnen. Das eigentliche Burggebäude wurde erweitert und der freie Platz zwischen Wehrmauer und Wohnhaus zum großen Teil überbaut. In den drei neuen Obergeschossen und dem zum Morgenbachtal gelegenen Zwischenstockwerk konnte sich eine anspruchsvolle Wohnkultur entfalten. Auch für die Unterbringung von Gästen und Personal war Platz. Besondere Sorgfalt wurde auf die Errichtung des Treppenhauses gelegt.

Der Burgherr baute jedoch nicht nur das Hauptgebäude aus. Am Ende des erweiterten Burgwegs, der von Trechtingshausen hinaufführt, entstanden eine Vorburg mit Wohnungen für das Personal, Remise, Kelterhaus und Weinkeller. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde in der Vorburg ein Burgrestaurant eingerichtet, auf das später noch eingegangen wird. In der damaligen "Zweiten Mühle" im Morgenbachtal, direkt unterhalb der Burg, versorgte ein kleines, privates Elekrizitätswerk mit einer Leistung von 9,4 kW Reichenstein mit Strom. Angetrieben wurde es von der Wasserkraft des Morgenbachs. In Trechtingshausen selbst gab es noch keine Elektrizität.

Am 16. September 1903 weihte Dominikanerpater Heinrich Suso Denifle, ein Freund der Familie, die dem Heiligen Sebastian geweihte Burgkapelle ein. Über drei Jahrzehnte diente Burg Reichenstein Nicolaus Kirsch-Puricelli neben der Rheinböller Hütte und später der Stromberger Neuhütte als Wohnung. Die noch weitgehend erhaltene Inneneinrichtung ist Ausdruck spätromantischer Wohnkultur Ende des 19. Jahrhunderts.