Schriftenreihe - Nr. 34

Der Rabbi von Bacherach
Ein Romanfragment von Heinrich Heine

Autor :

Gerd Laudert

Herausgeber und Verleger:

Verein für die Geschichte der Stadt Bacharach und der Viertäler e. V.
Postfach 1139
55419 Bacharach

Layout:

Gerd Laudert

Druck:

PSL Printservice Listl, 55411 Bingen

Erschienen

2018

Seiten

83

Preis:

3,50 EUR

Inhaltsverzeichnis

  • Vorwort
  • Einleitung
  • Zufallsbegegnungen
  • Auf Heines Spuren: Lüneburg, Harz, Heiligenstadt
  • DAS FENSTER in Bacharach
  • Spurensuche in den Viertälern
  • Anhang

Leseprobe

Mit Heine beschäftigte ich mich erst wieder intensiver - jetzt auch aus beruflichen Gründen - zu Beginn der 1990er Jahre, nachdem ich mit meiner Familie nach Norden, an den Rand der Lüneburger Heide gezogen war, um in einem beschaulichen Heidedorf Grundschüler zu unterrichten: in Deutsch, Kunst, Sport - und in einem für mich etwas schwierigen Fach: Religion. Meine Skrupel als ein kirchenkritisch eingestellter Junglehrer, die mich schon im Studium sehr beschäftigt hatten, als ich nach dem ersten Semester (um meine Einstellungschancen zu verbessern) das Fach Sachunterricht gegen Religion getauscht hatte, brachten mich Anfang der 1990er Jahre auf die Idee, einmal versuchsweise ein Sachbuch über den geschichtlichen Jesus von Nazareth zu schreiben, den so genannten "historischen Jesus".

In diesem Buch zitierte ich eine Passage aus Heines berühmtem Versepos Deutschland. Ein Wintermärchen, in dem dieser, seine Reise Ende 1843 von Paris nach Hamburg schildernd, mit ebensoviel Sympathie wie kritischer Distanz seinen "armen Vetter" anspricht, der - an einem Wegrand bei Paderborn - als ein "warnendes Exempel" am Kreuz hängt:

Und als der Morgennebel zerrann, Da sah ich am Wege ragen Im Frührotschein, das Bild des Manns, Der an das Kreuz geschlagen.

Mit Wehmut erfüllt mich jedes Mal Dein Anblick, mein armer Vetter, Der du die Welt erlösen gewollt, Du Narr, du Menschheitsretter! (...)

Ach! Hättest du nur einen anderen Text Zu deiner Bergpredigt genommen, Besaßst ja Geist und Talent genug Und konntest schonen die Frommen.

Geldwechsler, Bankiers hast du sogar Mit der Peitsche gejagt aus dem Tempel - Unglücklicher Schwärmer, jetzt hängst du am Kreuz Als warnendes Exempel!

Vermutlich kannte ich den Text noch aus dem Deutschunterricht am Bopparder Gymnasium, und er gefiel mir, wie viele Passagen aus dem Wintermärchen. Allerdings hatte ich mich bis dahin noch nicht näher mit Heines einschlägigen Texten zur Religion beschäftigt. Doch jetzt, als Lehrer, der auch Religion zu unterrichten hatte, wurde ich auf diese weniger bekannten Texte Heines schon aus beruflichen Gründen - und auch wegen des Sachbuchprojektes - zunehmend neugieriger.

Nachdem das Buch Anfang 1996 erschienen war, gab es einen sehr traurigen Anlass, durch den ich wieder auf einen Text von Heine gestoßen wurde. Meine an einem bösartigen Hirntumor erkrankte Frau schrieb im Juni 1996, sechs Monate vor ihrem Tod, einen Heine-Vers aus dem "Buch der Lieder" in das Poesiealbum unserer Tochter.

Und wie viel ist Dir geblieben! Und wie schön ist noch die Welt! Und, mein Herz, was dir gefällt, Alles, alles darfst du lieben!

Seitdem haben viele Gedichte und andere Texte Heines für mich eine persönlichere, wesentlichere Bedeutung bekommen, auch wenn ich mich erst Jahre später eingehender mit Heines Werk beschäftigt habe - und zunehmend auch mit dem Menschen Heinrich Heine: dem zeitlebens von Napoleon (dem Befreier, nicht dem machtlüsternen Eroberer) begeisterten Harry Heine aus Düsseldorf, dem "guten Tambour" in Paris, der "Hauptstadt der Freiheit", und dem "armen, todkranken Juden" in seiner von ihm so bezeichneten "Matratzengruft".

Im April 2003 besuchte ich zum ersten Mal das Heinrich-Heine-Haus am Öchsenmarkt in Lüneburg, wo Heines Eltern von 1822 bis 1828 gelebt hatten und wo sich auch ihr Sohn mehrere Male zu oft kurzen, manches Mal auch zu längeren Besuchen aufgehalten hatte, in der Summe etwa ein Jahr lang.

Ein wenig enttäuscht darüber, dass es an diesem authentischen Heine-Ört (viele gibt es nicht in Deutschland!) keine Ausstellung o.ä. zu entdecken gab, kaufte ich mir in einer Buchhandlung nebenan - wenigstens das wollte ich aus Lüneburg mit nach Hause nehmen - ein schmales Heft mit dem Titel "Heinrich Heine, Lüneburg und der liebe Gott", verfasst 1997 als Vortragsmanuskript von einem Düsseldorfer Theologen, Ferdinand Schlingensiepen, und eine etwas umfangreichere Publikation von 1987 ("Heinrich Heine und Lüneburg") mit dem merkwürdigen Untertitel "Loreley am Lösegraben".