Heimatblatt Nr. 45

Titelbild

Aquarell, Bacharach mit Bahndamm und der Gastwirtschaft F. Lippert, 1865

Inhaltsverzeichnis

  • ln eigener Sache
  • Es stand in der Zeitung
  • Die katholische Schule Bacharach und ihre Rektoren im 18. Jahrhundert
  • Bacharacher Stickelcher
  • Traufgassen, Hochkeller und Kelterhäuser in Bacharach Leseprobe
  • Die Bacharacher städtische Bleiche
  • Wie lang ist denn nun der Rhein? Leseprobe
  • Die Galgen im Niedertal
  • Doris Seckler aus Manubach neue Weinkönigin des Mittelrheins

Leseprobe

Leseprobe  Traufgassen, Hochkeller und Kelterhäuser in Bacharach

[Autor/in: Jean-Marc Petit]

Im Mittelalter hatten die Häuser keine Dachrinnen; der Regen floss das Dach herunter und wurde von einer Bodenrinne aufgenommen und zur Straße abgeführt. In der Regel waren die Häuser giebelständig, das heißt, ihre Giebel standen zur Straße hin. Jedes Haus hatte nach damaligem Traufrecht an seinen beiden Traufseiten je eine Traufgasse. Die an den Traufseiten der Häuser führenden Traufgassen hatten eine große Bedeutung. Da die meisten Häuser damals aus Holzfachwerk mit Lehm und Stroh-Ausfachung gebaut wurden, waren sie nämlich nicht nur durchs Feuer sondern auch durchs Wasser gefährdet. Die Wasserrinnen der Traufgassen wurden als offener Abfluss zur Straße hin genutzt. Dadurch wurde die Auswaschung der Hausfundamente verhindert. Außerdem übten diese ca. 80 cm bis 1 Meter breiten Gassen eine Kaminwirkung aus, die zum Trocknen vom nassen Lehm des Mauerwerks beitrug. Bei großen Gebäuden, die breite Dachvorstände zum konstruktiven Schutz ihrer hohen Mauern gegen Schlagregen benötigten, konnte die Traufgasse doppelt so breit sein.

Als Folge der verheerenden Großbrände, die die Stadt Bacharach 1872 und später heimsuchten, wurden ganze Straßenzüge aus weniger feuer-und wasserempfindlichen Materialien neu aufgebaut. Die nicht mehr benötigten Traufgassen wurden vielerorts überbaut. Dort, wo die historischen Häuser vor den Flammen gerettet werden konnten- wie z. B. in der Rosenstraße - sind die Traufgassen noch vorhanden und bilden ein wertvolles Zeugnis der ursprünglichen Siedlungsstruktur aus den Anfängen der Stadt Bacharach im 14. Jahrhundert. Deswegen wurden diese Reile, wie sie sonst auch genannt werden, von der GSW in den neuen Leitfaden zur Erhaltung und Gestaltung baulicher Anlagen und der ortstypischen Besonderheiten der Stadt Bacharach aufgenommen.

Zur Zeit, als Bacharach die Stadtrechte erhielt, wurden die Stadtmauern gebaut. Sie umschlossen den Weinberg am Schlossberg unterhalb der Burg Stahleck sowie den Weinberg am Posten oberhalb der Rosenstraße (siehe das neue Büchlein des Geschichtsvereins zu Bacharachs Stadtbefestigung). Am Fuß des Schlossbergs und des Postens wurden auch im 14. Jahrhundert Weinkelteranlagen gebaut.
Sie wurden nicht in den Hang gegraben, weil es mit den damaligen technischen Mitteln zu mühsam gewesen wäre, die Felsen auszuhöhlen. Diese sogenannten Hochkeller wurden also aus Schiefersteinen vor dem Berghang mit einem meistens zweigeschossigen Fachwerkgebäude errichtet. Wenn der Winzer zur Arbeit in seinen Weinberg ging, stieg er über eine Treppe in das zweite Obergeschoss, wo seine Werkzeuge lagerten, und trat zur bergseitigen Hintertür ebenerdig in den Weinberg hinaus. Das erste Obergeschoss nahm die Kelter auf. Der frischgepresste Rebensaft floss vom Kelterraum in ein Schlauchloch durch das Gewölbe der Kellerdecke in den Hochkeller hinunter. Diese aus Hochkellern im Erdgeschoss, einem Kelterraum im ersten Obergeschoss und einem Lagerraum im 2. Obergeschoss bestehenden Hinterhäuser hießen Kelterhäuser und bildeten mit dem Vorderhaus und dem dazwischen liegenden Innenhof eine architektonische und wirtschaftliche Einheit. Diese aus Schieferstein, rotem Sandstein und Fachwerk gebauten Ökonomiegebäude konnten recht imposante Ausmaße erreichen, wie am Beispiel vom Kelterhaus des Haus Siekingen zu sehen ist, das die Eigentümerfamilie zur Zeit instand setzen lässt. Einige dieser mittelalterlichen Höfe, die der Weinproduktion gewidmet waren, bestehen noch. Am Fuß des Schlossbergs sind es von Norden nach Süden der Posthof, das schon erwähnte Haus Sickingen und das Rathaus, die ehemalige Kurpfälzische Amtskellerei.

Von den anderen Hofräumen, deren Vorderhäuser abgebrannt sind und neu aufgebaut wurden, sind noch die Hochkeller erhalten: Apostelhof, Schönburgerhof (Haus Kaiser und Haus Lind) und Haus Jeiter. Es soll hier noch der Hochkeller erwähnt werden, wo das Weingut ,,Zur Traube" einen Weinausschank eröffnet hat. Die Lokalität heißt sehr treffend: "Zum Alt Bacharach". Wer nämlich das stimmungsvolle Gewölbe betritt, begibt sich auf eine Zeitreise ins 14. Jahrhundert zurück, in die Zeit, als Bacharachs Stadtumwehrung entstand. Beispiele fiir Hochkeller gäbe es noch viele in Bacharach. Abschließend weise ich noch auf das öffentlich zugängliche Kellergewölbe in der Rosenstraße hin, das als Gemäldegalerie genutzt wird. Diese Kelterhäuser wurden nicht direkt am Hang gebaut, sondern in gebührendem Abstand zum Berg wegen der durchaus ernstzunehmenden Gefährdung durch Bergwasser. Mit den damals verfügbaren Baumaterialien- Schieferstein und Kalkmörtel- war es nämlich nicht möglich, Mauern zu bauen, die so wasserdicht waren wie die modernen Betonwände.

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Leseprobe  Wie lang ist denn nun der Rhein?

[Autor/in: Karl Ernst Linz]

Forscher der Universität Tübingen und des Senckenberg Forschungsinstituts in Frankfurt haben kürzlich festgestellt, dass der Rhein etwa 15 Millionen Jahre alt ist, also fünf Millionen Jahre älter als bisher angenommen wurde. Fossilien aus dem Rheingebiet legen dieses höhere Alter nahe. In Sprendlingen bei Bad Kreuznach, wo einst der Urrhein floss, fanden Forscher nämlich mehr als 300 Säugetierfossilien, versteinerte Blätter und Hölzer. Bei den Untersuchungen der Proben entdeckten sie Zähne und Knochen von Hirschen, die vor etwa 14 bis 16 Millionen Jahren gelebt haben. Da die Funde aus den ältesten uns bekannten Ablagerungen des Rheins stammen, müsste der Rhein auch mindestens fiinfMillionenJahre älter sein.

Der Rhein ist der größte und wasserreichste Fluss Westeuropas und eine internationale Wasserstraße. An seinen Ufern wohnen Schweizer, Liechtensteiner, Österreicher, Franzosen, Deutsche und Holländer. Im Mai 2012 wollte der Schweizer Extremsportler Ernst Bromeis als erster Mensch von der Quelle des Rheins bis zur Mündung schwimmen, musste aber sein Vorhaben wegen des zu kalten Wassers und wegen Erschöpfung abbrechen. Er hatte mit Sicherheit den falschen Zeitpunkt gewählt, denn der Rhein hat seine wärmste Temperatur gegen Ende des Sommers. Außerdem erfuhr er, dass schon 43 Jahre vor ihm der deutsche Hobbyschwimmer Klaus Pechstein aus Linz am Rhein den gesamten Rhein durchschwommen hatte. In dem Zeitungsbericht wurde die Länge des Rheins mit "etwa 1230 km" angegeben. Das ist eine von den mittlerweile auf fast drei Dutzend unterschiedliche Zahlenangaben angewachsene Sammlung von Längenangaben des Rheins, die aber der eigentlichen Länge sehr nahe kommt. Die größten Abweichungen finden wir in einer im Jahr 1967 erschienenen Informationsschrift der Wasser- und Schifffahrtsdirektion Mainz, in der die Länge mit 1320 km angegeben wird und im Dtv-Lexikon, Band 18, aus dem Jahr 2006, das die Rheinlänge sogar mit 1324 km benennt.

Wie lang ist denn nun eigentlich der Rhein? Es handelt sich immerhin um abweichende Längenangaben von etwa 90 km. Alle Längenangaben in der neueren Rheinliteratur, die hier im Einzelnen nicht benannt werden können, beziehen sich übrigens auf einen Zeitraum, als die Rheinkorrekturen von Gottfried von Thlla am Oberrhein zwischen 1817 und 1876 mit einer Laufverkürzung von 100 km längst abgeschlossen waren. Wie kam es zu diesen vielen verschiedenen Längenangaben?

Das geschah einmal durch unterschiedliche Messungen der Rheinabschnitte, besonders zwischen den Rheinquellen bis Konstanz, aber auch durch die ehemals selbstständigen RheinanliegerStaaten Baden, Hessen und Preußen sowie Holland, die ihre jeweiligen Stromabschnitte unabhängig voneinander vermessen hatten. Jede dieser Kilometrierung begann mit einer Nullmarke an der Landesgrenze und liefvon dort stromabwärts. Diese Vermessungsarbeiten wurden in Etappen zwischen 1883 und 1910 durchgeführt. Die Preußen begannen an der Landesgrenze an der Nahe ihre Zählung mit Stromkilometer Null. Dass der Rhein unterhalb der Nahemündung etwa 500 m k:ürzer ist als die Kilometerangaben auf den weißen Tafeln heute angeben. kommt daher, weil man bei der abschnittsweise mehrfach korrigierten Neuvermessung zwischen 1883 und 1910 die bereits verorteten Messpunkte auch an anderen Grenzen der früheren Anrainerstaaten nicht aufgeben wollte und an den jeweiligen Landesgrenzen mit Rheinkilometer Null neu anfing zu zählen. Da bei der ab 1939 durchlaufenden Zählung der Rheinkilometer ab Konstanz nicht einfach die glatten Kilometerzahlen übernommen werden konnten, wurden so genannte Fehlstrecken eingeführt. Daher beträgt der Abstand der beiden Tafeln an der früheren Grenze zwischen Hessen und Preußen im Bereich der Nahemündung zwischen Stromkilometer 529 und 530 nicht einen Kilometer, sondern nur 525 m. Die Tafel für Stromkilometer 530 findet man unmittelbar neben der 500 m Marke, die durch ein schwarzes Kreuz auf weißem Feld gekennzeichnet ist. Übrigens gibt es zwischen Kilometer 436 und 437, an der ehemaligen Grenze zwischen Baden und Hessen, auf deutschem Staatsgebiet, ebenfalls einen kurzen Kilometer. Durch die verschiedenen kurzen Kilometer ist der Rhein heute 1,2 km "zu lang".

Bei fast allen Angaben zur Länge des Rheins erkennt man meist nicht, ob sie sich ausschließlich auf die amtliche Kilometrierung beziehen oder die Fehlstrecken von 1,2 km berücksichtigen. Vor dem Hintergrund der Zahlenvielfalt in Bezug auf die Länge des Rheins soll hier einmal an Hand amtlicher topographischer Karten vor allem die genaue Rheinlänge von der Quellregion bis zur Konstanzer Brücke genauer betrachtet werden. Die Quellflüsse des Rheins kommen aus den Schweizer Alpen. Der Vorderrhein entspringt am St. Gotthard und ist 75,1 km lang.

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