Heimatblatt Nr. 53

Titelbild

Die Burg Stahleck über Bacharach aus der Vogelperspektive

Inhaltsverzeichnis

  • ln eigener Sache
  • Es stand in der Zeitung
  • Der Steeger Esel Leseprobe
  • Zur Entwicklung der Bacharacher Oberstraße vom Mittelalter bis in die Moderne
  • Tausend Jahre Bacharach? Leseprobe
  • Eingemeindung der Gemeinde Steeg nach Bacharach
  • Nikolaus von Bacharach
  • Bacharacher Carneval-Verein

Leseprobe

Leseprobe  Walter Zahn: Die Steeger Esel

Noch bis Ende der 1920er Jahre gab es durch die Steeger und Bacharacher Weinbergsflur nur wenige Wege, die mit Kuh- beziehungsweise Ochsengespannen befahren werden konnten.

Am Ortsausgang von Steeg Richtung Breitscheid führte von der Hipp ein Karrenweg zum Dorweilerhof, der erst im Jahr 1853 zum Wagenweg ausgebaut wurde. Auf der anderen Talseite in der Bieselstraße an dem neugeschaffenen Weiherplatz führt noch heute der ebenfalls schon mittelalterliche Dummweg durchs Tal und an den früher dort angelegten Weinbergen vorbei.

Ein weiterer Fahrweg, der schon im Mittelalter als die "alte Trierische Landstraße" benannt wurde, war ein steil ansteigender Weg durch die Bacharacher Wolfshöhle. Er begann im Ortsteil Nauheim und führte durch die Weinberge hoch zur Vogtswiese und von dort weiter Richtung Langscheid und Perscheid und vereinigte sich später mit der nach Trier führenden Römerstraße. Dieser uralte Weg wurde jedoch bei der Weinbergs- Flurbereinigung total zugeschüttet. Das waren die drei Hauptwege, auf denen die Winzer ihren Dung - ausschließlich Kuhmist - transportieren konnten.

Da in früheren Zeiten die Winzer ihre Kühe überwiegend nur zur Milch- und Dungproduktion (Kuhmist) hielten, musste der als Weinbergsdünger dienende Kuhmist von Fuhrleuten mit dem Ochsengespann in die Nähe der Weinberge, oft auf die Berghöhe oberhalb der Weinberge transportiert und von dort aus mit der Ketze (Kiepe) zum Weinberg gebracht werden. Auch die bei der Weinbergsbearbeitung beim Graben mit dem Karst (Hacke) immer wieder herunter getretene Erde musste so wieder an das obere Ende der Zeile getragen werden. Zu diesem Zweck waren die Weinberge mit einem Netz von Pfaden durchzogen, um auf ihnen an den jeweiligen Wingert heranzukommen. Das erste Bild vom Steeger Tal zeigt die Weinbergslage "Bacharacher Wolfshöhle". Deutlich kann man den Fahrweg erkennen, der sich von Nauheim durch den Berg bis hin zur Vogtswiese zieht. Bergseitig schützten teils bis zu zehn Meter hohe Mauern aus Schieferstein die Weinberge vorm Abrutschen.

Das zweite Bild zeigt das Borbachtal mit seinen Weinbergslagen z. B." Im Lennenborn", "In der Kripp" und "In der Zehnheck". Wir sehen, dass hier der ganze Berg nur mit schmalen Pfaden durchzogen war. Das bedeutete, dass man die einzelnen Weinbergsparzellen nur von der Dorfstraße oder von der Höhe aus über die angelegten Pfade erreichen konnte.

Um sich die schwere körperliche und zeitaufwändige Arbeit des Mist- und Erdtragens zu erleichtern, schafften sich die Winzer ab 1820 Esel an, die sie nun für diese Arbeiten einsetzten.
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Leseprobe  Dr. Dagmar Aversano-Schreiber: Tausend Jahre Bacharach?

Wir wissen, dass die Gegend um Bacharach und der Ort selbst schon seit mehr als tausend Jahren besiedelt sind. Man hat zahlreiche Werkzeuge aus der Steinzeit, der Eisen- und der Bronzezeit im Rhein gefunden. Hügelgräber im Wald weisen auf die keltisch geprägte Hunsrück- Eifelkultur hin, Funde aus der Römerzeit belegen deren Anwesenheit und fränkische Gräber wurden in der Oberstraße entdeckt. Hier am Rhein gab es eine Siedlungskontinuität. Doch interessant ist immer, wann ein Ort erstmals in einer Urkunde erwähnt wird. Gerne verbindet man eine solche Erwähnung mit einer großen Feier.

Eine gesicherte Urkunde von 1094 belegt, dass der Erzbischof Hermann III. von Köln dem St. Andreasstift zur Aufbesserung der täglichen Bezüge der Brüder die Kirche zu Bacharach (Baccharaca) übertragen hat. Einige Autoren möchten sogar eine erste Erwähnung im Jahr 871 erkennen. Auf Bitten von Abt Ansbold von Prüm bestätigte am 15. Februar 871 König Ludwig der Deutsche eine Urkunde, die Karl der Große ausgestellt hatte und die dem Abt das Fischfangrecht im Rhein de villa naucravia ripam hreni fluminis gewährt. Da ihre Abtei zweimal von den Wikingern überfallen und verwüstet worden war und sie Reliquien und einige Dokumente nur mit knapper Not vor den Angreifern retten konnten, fertigten die Mönche der Benediktinerabtei Prüm im 9. Jahrhundert Abschriften ihrer Urkunden an. Die Originalurkunden sind 1511 in St. Vith verbrannt, aber die Abschriften sind im Goldenen Buch von Prüm im Stadtarchiv Trier erhalten geblieben. Es war der Trierer Weihbischof Johann Nikolaus von Hontheim, der im 18. Jh. dazu anmerkte, dass es auch als baucravia gelesen werden könne und in einer anderen Urkunde von 873 becrauua genannt wird. Es sei gleichzusetzen mit Bacharach am Rhein. Schon der Rheinische Antiquarius von 1859 widerspricht dem und erklärt, dass damit Neckarau bei Mannheim (auch neckrauua, neccrohe/negcrohe genannt) gemeint ist. Tatsächlich haben die Einwohner von Neckarau 1971 eine Elfhundertjahrfeier veranstaltet.

Eine weitere Urkunde wurde später fälschlich auf das Jahr 923 datiert, da man sie Erzbischof Hermann I. zuschrieb. Tatsächlich war aber Erzbischof Hermann III. gemeint, womit wir wieder in der Zeit Ende des 11. Jh. wären.

Eine Urkunde, die die Frage nach einer möglichen Tausendjahrfeier Bacharachs aufwarf, datiert auf den 3. Mai 1019. Es handelt sich um eine Abschrift des 14. Jh. im Kopiar Deutz, die sich heute im Stadtarchiv Köln befindet. (Siehe Anhang aus: Theodor Joseph Lacomblet: Urkundenbuch für die Geschichte des Niederrheins, 4 Bde., Düsseldorf 1840 - 1858, Neudruck 1966, Band I, Nr. 153, Transsumpt von 1498, ebenfalls aufbewahrt im Stadtarchiv Köln. In einem Transsumpt wird der Inhalt einer älteren Urkunde in eine neue aufgenommen, um deren Rechtskraft nochmals zu bestätigen. Aus dem lateinischen transsumere = übertragen). Erzbischof Heribert von Köln überträgt darin der von ihm gestifteten Abteikirche zu Deutz am Tag ihrer feierlichen Weihe diverse Besitzungen und Pfründe. Dort heißt es unter anderem (.) Et in Bachercho uineas quas constitui ad agendum anniversarium meum. (.).

Das heißt wörtlich übersetzt: Und in Bacharach Weinstöcke, die zu meiner jährlich wiederkehrenden gottesdienstlichen Handlung (Anm. d. Verf.: also zu meinem Jahresgedächtnis) gepflanzt wurden. Die Urkundenlehre, Diplomatik genannt, ist im 17. Jh. aus dem Streit um Echtheitsansprüche hervorgegangen. Sie erfuhr besonders im Deutschland des 19. Jh. aufgrund eines verstärkten Nationalbewusstseins und der damit verbundenen Hinwendung zum Mittelalter eine Blütezeit. Die Edition dieser historischen Quellen ermöglichte einen Überblick über das Material, und man konnte nun durch den direkten Vergleich feststellen, dass besonders im Mittelalter viele Dokumente ge- bzw. verfälscht wurden. Urkunden folgen meist strengen Kriterien bezüglich ihres Inhalts und ihres Aufbaus. Das Fehlen bestimmter Teile, die Verwendung von Formeln, die erst in späterer Zeit auftreten und nicht zur Datierung passen, signifikante Abweichungen von der Norm, die verwendeten Siegel, all dies spielt bei der Bewertung der Echtheit eine maßgebliche Rolle.

Was war das Motiv der Fälscher? Zum einen wollte man mit Hilfe erfundener Dokumente Fakten schaffen, zum anderen wollte man aber auch Zuständen, die de facto bestanden, nachträglich eine schriftliche Legitimation verleihen, denn mit urkundlicher Beglaubigung ließen sich wirtschaftliche Ansprüche, wie z. B. der Anspruch auf den Zehnten, leichter durchsetzen. Weil manchmal aber nur Worte oder Sätze in Urkunden weggelassen, ersetzt oder ergänzt wurden, spricht man auch gerne von "verunechtet". Dennoch gab es Werke, die in großem Stil gefälscht wurden, wie die des Bischofs Pilgrim von Passau oder die Abdinghofer Fälschungen (Abdinghof ist eine Benediktinerabtei in Paderborn). Die vorliegende Urkunde von 1019 wird von der Wissenschaft als Fälschung angesehen. Warum? Um das zu verstehen, müssen wir die Hintergründe etwas näher betrachten. Heribert, seit dem Jahr 999 Erzbischof von Köln, war unter Kaiser Otto III. zunächst Kanzler von Italien, später auch von Deutschland. Er war dabei, als dieser das Grab Karls des Großen in Aachen öffnen ließ und versprach ihm auf dem Sterbebett in Castel Paterno in der Nähe von Rom, ein Kloster zu Ehren der heiligen Maria zu gründen. Heribert begleitete den Leichnam des noch sehr jungen Kaisers nach Aachen, wo er im dortigen Dom beigesetzt wurde. An der Grenze zu Bayern traf Heribert auf den Herzog Heinrich, der der Nachfolger Ottos werden sollte. Heinrich zwang Heribert zur Herausgabe der Reichsinsignien, also der Krone und dem Schwert. Die Heilige Lanze hatte Heribert bereits vorausgeschickt, musste sie ihm später dennoch überlassen und wurde von Heinrich eine Zeitlang auch in Haft gesetzt. Bereits im Jahr darauf, 1003, gründete Heribert wie versprochen das Benediktinerkloster Deutz, das außerhalb der Stadtmauern an der Stelle des römischen Kastells lag und weihte 1020 die romanische Abteikirche ein. Ein knappes Jahr später ist er bereits verstorben und wurde in der Abteikirche beigesetzt. Die Anlage ist häufig zerstört und wieder aufgebaut worden. Die heutige Kirche wurde im 17. Jh. wieder errichtet, die im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigten Klostergebäude in den 70er Jahren des 19. Jh. Von den 15 Urkunden dieses Erzbischofs sind zwei Drittel für sein eigenes Kloster bestimmt, einige davon sind aufgrund oben genannter Kriterien als Fälschungen entlarvt worden. Zwei Forscher haben sich mit unserer Urkunde beschäftigt, nämlich Otto Oppermann (Die Fälschungen des Küsters Dietrich für Kloster Deutz, Rheinische Urkundenstudien I, Bonn 1922, S. 274ff.) und Erich Wisplinghoff (Beiträge zur älteren Geschichte der Benediktinerabtei Deutz, Jahrbuch des Kölnischen Geschichtsvereins e. V., Köln 1954/55 Band 29/30, S. 139ff.). Sie weichen in den Details ihrer Bewertung voneinander ab, kommen aber dennoch zum selben Ergebnis. Einige Güter, die im Text erwähnt werden, sind schon seit 1003, 1005 und 1008 im Besitz der Kirche. Die hier aufgeführte inscriptio, also die Angabe des Empfängers samt Grußbezeugung, ist in den Urkunden der Erzbischöfe von Köln erst in der zweiten Hälfte des 11. Jh. nachweisbar. Am verdächtigsten ist allerdings die Zeugenliste am Ende der Urkunde. Hier wird der Propst Sigezo von St. Severin als Zeuge aufgeführt, obwohl bereits seit März 1019 Acihinus Propst von St. Severin war, wie aus einer anderen, einer echten Urkunde, hervorgeht. Ein anderer Zeuge, Bischof Notker von Lüttich, war bereits 1008 verstorben. Wer war der Fälscher und was war sein Motiv? Mitte des 12. Jh. hatte das Kloster wirtschaftliche Probleme. Abt Rudolf III. hatte das Kloster heruntergewirtschaftet. Er wurde aufgrund einer Anklage von Papst Eugen III. abgesetzt, der als seinen Nachfolger Gerlach benannte. Dieser betrieb eine Restitutionspolitik, d. h., er strebte eine Wiederherstellung guter wirtschaftlicher Verhältnisse an, indem er den Klosterbesitz zu vermehren versuchte. Auch dessen Nachfolger, Abt Harpenus (1161-1169) verfolgte dieses Ziel. Beide Forscher glauben, dass der Mönch und Kustos des Klosters, Thiodericus (Dietrich) die Fälschungen vorgenommen hat. Er ist historisch durch seine Schriften greifbar, und er war ein eifriger Schreiber. So hat er hat z. B. einen Bericht über eine Ausgrabung in Köln verfasst, bei der römische Inschriften entdeckt wurden. Besonders bekannt ist der um 1164 verfasste Codex Thioderici, in dem er u. a. die Erzbischöfe von Köln und die Äbte des Klosters auflistet und über die translatio, also die feierliche Erhebung der Gebeine von Heribert im Jahr 1147 berichtet. Dies geschah, weil schon bald nach seinem Tod Wunder an seinem Grab geschahen, unabdingbare Voraussetzung für den Beweis seiner Heiligkeit. 1175 wurden seine Gebeine in den sogenannten Heribertschrein umgebettet, den man seit dem späten 19. Jh. in "Neu-St. Heribert" in Köln-Deutz sehen kann. In seiner Chronik berichtet Dietrich auch von einer Bleitafel, die im Sarg gefunden wurde und die als Weihedatum der Kirche das Jahr 1020 nennt. Die Tafel ist allerdings verschollen. Der Codex beinhaltet ebenfalls eine Liste der Zuwendungen Heriberts, die wohl ebenfalls von ihm gefälscht wurde und die er im Text aufführt: Vineas plurimas in Bachracho, (.) also: mehrere Weinstöcke in Bacharach. Die Fälschungen sind frühestens um 1161 entstanden. Oppermann glaubt, dass Dietrich der alleinige Urheber der gefälschten Urkunden ist. Wisplinghoff glaubt anhand des Schriftbildes, mehrere Hände unterscheiden zu können. Das muss aber kein Widerspruch sein. Man darf nicht glauben, dass er dies allein und in tiefer Nacht in seiner Zelle getan hat. Abt Harpenus war sicher eingeweiht, wenn nicht sogar der Auftraggeber. Im scriptorium haben möglicherweise mehrere Mönche an der Umsetzung des Projektes gearbeitet. Man ging sogar so weit, eine Kanonisationsurkunde von Papst Gregor VII. (1073-1085) zu fälschen, der den Patron Heribert angeblich heiliggesprochen habe, was aber in Wirklichkeit nie passiert ist. Auch andere Schriften, die angeblich Abt Rupert (1121-1129) verfasst hat, wie die vita Heriberti, die sich teilweise auf die Arbeit eines älteren Autors stützt, und der Bericht über eine Feuersbrunst, sind zweifelhaft und könnten gleichfalls aus der Hand Dietrichs stammen. Also mit einem Wort, er war nicht nur ein eifriger Schreiber, sondern auch ein eifriger Fälscher. All dies geschah, um das Ansehen und die Einkünfte des Klosters zu mehren. Bei Wiedergabe der Urkunde steht manchmal fettgedruckt 1020 mit Fragezeichen versehen und in Klammern 1019. Dies erklärt sich aus der Diskrepanz heraus, dass Dietrich einerseits von einer Bleitafel im Sarg berichtet, die ein Weihedatum von 1020 nennt (auf der Tafel Anno incarnati verbi Millesimo-vigesimo, also im Jahr des Fleisch gewordenen Wortes 1020), am Ende der Urkunde aber klar Anno dom. inc. Millesimo XVIIII steht. Eine der beiden Angaben muss also falsch sein. Ich glaube, es ist nun deutlich geworden, dass die vorliegende Urkunde nicht 1019 verfasst wurde. Mit großer Wahrscheinlichkeit ist sie erst in den 60er Jahren des 12. Jh. entstanden. Es ist nicht völlig auszuschließen, dass schon vor der gesicherten Erwähnung 1094 Erzbischof Heribert Weinstöcke in Bacharach gepflanzt hat, aber wir können uns auf diese Quelle nicht verlassen, und sie eignet sich daher nicht als Aufhänger für eine Tausendjahrfeier im Jahre 2019.
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